wir zwei sind…

Nadine 84´

Als Kind durfte ich mit meinen Eltern ganz Europa entdecken. Am Küchentisch kam kurz vor Beginn der Ferien stets die Frage auf:

„Wo möchtet ihr denn gerne hin?“

Unter Berücksichtigung des Wetterberichts wurden die Wunschziele von uns vieren diskutiert und schließlich wurde abgestimmt. Kurz bevor wir alle im Auto saßen haben meine Eltern noch mal den Wetterbericht geprüft und manchmal haben wir auf dem Weg zur Autobahn noch ein anderes Reiseland gewählt. Ob mit Hauszelt bewaffnet oder später, etwas komfortabler, im Wohnwagen – unsere Urlaube waren immer ein Abenteuer! Oft wussten wir nicht, wohin es uns am Abend verschlagen würde und auch den Tag über entdeckten wir zu Fuß, mit dem Rad oder im Wasser so einiges.

Das Unbekannte, fremde Länder und Kulturen fanden einen Platz in meinem Gedächtnis, fesselten mich, und eine diffuse Sehnsucht nach all diesen von mir noch unentdeckten Orten sucht sich immer wieder einen Weg in mein Bewusstsein. Ich möchte reisen und die Welt entdecken! Diesen Gedanken habe ich wohl schon seit dem Kindergarten…

Als Maurice und ich uns kennen lernten, war er nicht sehr angetan von meiner Berufsvorstellung: Auslandsjournalistin! Mit einer dauerhaften Beziehung oder gar einer Familie nicht problemlos kombinierbar. Ich bin schließlich Psychologin geworden, verbrachte dann aber doch wenigstens einige Monate in Australien um dort ein Postgraduate Certificate zu machen. Nachdem ich das  abgeschlossen hatte, nahm Maurice zum bezahlten noch unbezahlten Urlaub und kam zu Besuch. Wir haben zusammen Australien und Thailand bereist. Sein Reisefieber war geweckt! Und er wollte dort leben und arbeiten! Dieser Gedanke war mir fremd… Dauerhaft so weit entfernt von Familie und Freunden? Kaum vorstellbar! An einem Ort zu leben, an dem man viel mehr Möglichkeiten hat, die Freizeit in der Natur zu verbringen und an dem man nicht den Großteil des Jahres lange Kleidung tragen muss? Eine ziemlich nette Vorstellung! Und an die gewöhnte ich mich!

Nun ist es also soweit!

Wir kombinieren beide Traumvorstellungen und reisen ein paar Monate durch Asien bevor wir probieren in Australien oder Neuseeland ein neues Heim zu finden. Und wenn es uns nach einiger Zeit nicht mehr gefällt oder das Heimweh zu groß wir – dann reisen wir zurück ins schöne Lipperland! (Oder nach Süddeutschland… – da hat man mehr Möglichkeiten zum Wandern, Klettern, Wassersport und ist schneller in wärmeren Ländern…)

Maurice 86´

Irgendwie stellte sich mir nie ernsthaft die Frage, was wird, wenn das alles nicht klappt und was dann aus uns werden würde. Ich für meinen Teil dachte immer:

„Was soll schon groß passieren?“

Der Ort, an dem wir gerade leben (auch wenn es ein sehr schöner Flecken Erde ist), war für mich nie der Platz, an dem ich mir vorstellen konnte, mein ganzes Leben zu verbringen. Viel zu sehr würde mir die wilde Natur, insbesondere natürlich die Berge, aber auch das Meer, fehlen. Und auch ein wärmeres Klima wäre schön. Klar, diese Dinge werden vor allem in der Freizeit relevant, aber schließlich leben wir nur einmal! Da würde ich es mir gern so gestalten, dass ich am Ende zufrieden und glücklich darauf zurück blicken kann und das Gefühl habe, meine Träume gelebt zu haben.

Oder wie Oscar Wilde vielleicht sagen würde: „Das Leben ist das Allerseltenste in der Welt – die meisten Menschen existieren nur.“

So richtig über all das bewusst wurde ich mir, nachdem ich Nadine in Australien besuchte und wir dort, aber auch in Thailand, so viel neues, andersartiges und schönes entdeckten. Vorher war es ein diffuser Gedanke, seitdem aber keimte eine ganz konkrete Idee: Warum nicht versuchen, in einem Land zu leben und arbeiten, dass mir vielleicht mehr von dem bietet, wonach ich mich sehne, statt immer nur Urlaube an solchen Orten zu verbringen?

Das Fernweh kannte auch Nadine, mit meiner neuen Idee stieß ich jedoch zunächst auf taube Ohren. So weit weg von Familie und Freunden? Auch für mich eine schwierige Vorstellung! Da ich noch nicht wie Nadine viele Monate am Stück in der Ferne verbracht habe, kann ich mir das schale Gefühl, die Lieben nicht bei sich zu haben, vielleicht nur vorstellen. Allerdings habe ich bei ihr erlebt, wie schnell sie in der Ferne neue Freunde gefunden hat und wie schwer ihr der Abschied dort gefallen ist – …vielleicht kann die Fremde eine neue Heimat werden? …und wir das Geld, was wir in den letzten Jahren für unsere Reisen gespart haben, stattdessen für regelmäßige Urlaube in unserer Perle des Lipperlandes nutzen?

Ich bin ein Mensch, der gerne und mit vollem Einsatz seinen Aufgaben, ob beruflich oder auch privat, nach kommt. Meinen Job habe ich die letzten Jahre sehr gern gemacht und die Zeit mit Familie und Freunden immer sehr genossen. Doch Wärme, Natur und ein wenig Abenteuer fehlten…

Unsere Reise und der Versuch, am Ende dieser ein neues Leben in einem fremden Land aufzubauen, aber vor allem das eigene Gefühl bei all dem zu planen ist wohl nicht möglich. Vielleicht sagen wir auch nach einiger Zeit, dass wir zurück kehren wollen. Aber es deshalb nicht zu versuchen? Das würden wir wohl beide irgendwann bereuen.